Montag, 28. Oktober 2013

Statistisches Bundesamt 25.10.2013: Armutsgefährdung

Pressemitteilung Nr. 361 vom 25.10.2013: Fast je­de sechs­te Per­son war 2011 ar­muts­ge­fähr­det

WIESBADEN – Fast jede sechste Person – das entsprach 16,1 % der Bevölkerung oder rund 13 Millionen Menschen – war in Deutschland im Jahr 2011 armutsgefährdet. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, hat sich damit der Anteil gegenüber 2010 (15,8 %) etwas erhöht. Dies ist ein zentrales Ergebnis aus der Erhebung LEBEN IN EUROPA (EU-SILC) 2012.
Eine Person gilt nach der EU-Definition für EU als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt (Schwellenwert für Armutsgefährdung). 2011 lag der Schwellenwert für eine allein lebende Person in Deutschland bei 980 Euro im Monat (11 757 Euro im Jahr), für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2 058 Euro im Monat (24 690 Euro im Jahr). Staatliche Sozialleistungen sind in den Einkommen bereits enthalten, Steuern und Sozialabgaben sind abgezogen. Referenzzeitraum für den Bezug der Einkommen ist bei LEBEN IN EUROPA (EU-SILC) das der Erhebung vorangegangene Kalenderjahr (hier: 2011).
Die Untergliederung nach Haushaltstypen zeigt, dass weit mehr als ein Drittel (38,8 %) der Personen, die in Haushalten von Alleinerziehenden lebten, im Jahr 2011 armutsgefährdet waren. Diese soziale Gruppe wies damit unter allen Haushaltstypen das höchste Armutsrisiko auf. Stark betroffen war mit insgesamt 32,4 % aber auch fast jede dritte allein lebende Person (Männer: 32,0 %; Frauen: 32,7 %). Dagegen war das Armutsrisiko von Personen in Haushalten von zwei Erwachsenen mit Kindern deutlich niedriger: Beispielsweise lagen die Quoten für zwei Erwachsene mit einem Kind bei 10,6 % und mit zwei Kindern bei 7,7 %.
Differenziert nach dem überwiegenden Erwerbsstatus im Einkommensjahr 2011 zeigen die Ergebnisse aus LEBEN IN EUROPA (EU-SILC) 2012, dass mit 69,3 % weit mehr als zwei Drittel der Menschen armutsgefährdet waren, die in Haushalten von überwiegend Arbeitslosen lebten. Personen in Haushalten von überwiegend Erwerbstätigen waren dagegen nur zu 7,8 % betroffen. Bei der Bevölkerung in Haushalten, deren Einkommen überwiegend aus Renten oder Pensionen bestand, lag die Armutsgefährdungsquote mit 15,1 % etwas unter dem Bundesdurchschnitt.

(...)
Link


Mittwoch, 23. Oktober 2013

Masernausbrüche, Alltagshypothesen und Wissenschaft

Thema im Unterricht in der Lehrveranstaltug Gesundheitswisenschaften/Sozialmedizin sind medizinische Alltagshypothesen.
Bezogen auf das Impfen gibt es z.B. Folgende Alltagshypohesen:
"Es ist gut für die Entwicklung eines Kindes ist, wenn es die eine oder andere 'Kinderkrankheit' durchmacht."
68% der Eltern glauben das (BZgA 2011, S. 19).

"Impfen gegen Kinderkrankheiten eine Ursache für die Zunahme von Allergien bei Kindern."
21% der befragten Eltern glauben das (BZgA 2011, S. 16).



Solche Annahmen stellen Impfbarrieren dar, die zu Krankheitsausbrüchen führen, wie z.B. dem Masernausbruch in Coburg 2001/2001(Link) oder in einer Waldorfschule bei Köln 2013 (Link).  Das Mortalitätsrisiko ist niedrig aber real (Link).



Zur wissenschaftlichen Überprüfung und zur eigenen Meinungsbildung hier einige Quellen:
  •  Arzneitelegramm, Ausgabe Oktober 2013. Diskussion um die Masernimpfung. Link
    Knappe, aktuelle Zusammenfassung: Krankheitsbild, Komplikationen, Impfung/Impfrisiken. Aussagen mit Primärquellen belegt.
  • Ständige Impfkommission (STIKO). Impfkalender August 2013. Link Masern: Grundimmunisierung 1 Lebensmonat 12–14, Grundimmunisierung 2 Lebensmonat 15–23
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
    • (2011). Elternbefragung zum Thema „Impfen im Kindesalter“ Link
      Etwa 1% der befragten Eltern sind erklärte Impfgegner, 35% haben Vorbehalte gegenüber dem Impfen (S. 7), 61% halten die Masern für gefährlich bzw. sehr gefährlich, 39% stimmen dieser Aussage über die Gefährlichkeit nicht zu (S. 22).
    • Website impfen-info. Entscheidungshiolfe zur MMR-ImpfungLink

  • Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland (April 2013).
    • Merkblatt Masern Link
      Aussagen nicht mit Quellen belegt.
    • Leitlinie Masern und Masern-Impfung (2009). Link
      Aussagen mit Quellen belegt
      Zitat: "Aufmerksame Eltern erleben gerade bei den Masern in typischer Weise eine Verwandlung, die ihr Kind dabei durchmacht, sie können unter diesem
      Aspekt die Masern ihres Kindes als sinnhaft erleben, als eine Auseinandersetzung mit

      dem eigenen Leib, aus der das Kind gestärkt hervorgehen kann."
  • Paul Ehrlich-Institut. Sicherheit von Masernimpfstoffen. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit Heft 3/2013 (September), S. 12–14. Sicherheit von Masernimpfstoffen Link alle Zusammenfassung und Bewertung aller Verdachtsfallberichte über Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen nach Impfung mit monovalenten und kombinierten Masernimpfstoffen in  Deutschland in den Jahren 2001 bis 2012
    Zitat: "In den zwölf Jahren von 2001 bis einschließlich 2012 wurden dem PEI insgesamt 1.696 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen mit 5.297 Reaktionen nach Impfung mit monovalenten oder kombinierten Masernimpfstoffen von verschiedenen Quellen gemeldet. (...) In den zwölf Jahren von 2001 bis 2012 hat das PEI 15 Berichte über Verdachtsfälle mit einem tödlichen
    Ausgang erhalten. In keiner dieser 15 Meldungen wurde der ursächliche Zusammenhang vom PEI als „gesichert“, „wahrscheinlich“ oder „möglich“ bewertet. Fünf Meldungen beziehen sich auf plötzliche ungeklärte Todesfälle, bei denen auch im Rahmen einer Autopsie keine eindeutige Todesursache festgestellt werden konnte. Die geringe Zahl der Meldungen von Todesfällen ohne autoptisch erkennbare Ursache im zeitlichen Zusammenhang mit monovalenten oder kombinierten Masernimpfstoffen innerhalb des Beobachtungszeitraums von zwölf Jahren spricht vor dem Hintergrund der neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse über den plötzlichen Tod bei Kindern und jungen Erwachsenen für einkoinzidentes Geschehen."
  • Statistisches Bundesamt. Gestorbene nach Altersjahren Link
    Im Jahr 2012 sind ind Deutschland 99 1-Jährige, 52 2-Jährige, 39 3-Jährige und 51 4-Jährige, 43 4-Jährige und je 31 5- und 6-Jährige gestorben.
  • Demicheli, V et al (2012). Vaccines for measles, mumps and rubella in children. Cochrane Review. Systematische Übersichtsarbeit zur Effektivität und den unerwünschten Wirkungen der Mumps-Masern-Röteln-Impfung. Link
  • Robert Koch-Institut (2013). Impfquoten bei der Schuleingangsuntersuchung in
    Deutschland 2011. Epidemiologisches Bulletin Heft 16, April 2013, S. 129–135
    Link
    Zitat: "Die Impfquoten für die 1. Masernimpfung stiegen von 91,4 % (2001) auf 94,5 % (2006) und erreichten 2011 bundesweit 96,6 %. Nur zwei Bundesländer Bundesländer (Bayern und Baden-Württemberg) liegen noch knapp unter diesem Wert. Die Impfquote für die 2. Masern impfung ist ebenfalls deutlich angestiegen: Im Jahr 2001 waren nur 25,9 % der einzuschulenden Kinder zweimal gegen Masern geimpft, 2006 waren es 83,2 % und 2011 bereits 92,1 %. Die für die Elimination notwendige Impfquote von über 95 % für die 2. Masernimpfung wurde bisher nur von einem Bundesland (Mecklenburg-Vorpommern) erreicht."




     
     

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Kuwait: Medizinischer Test auf Homosexualität?

Die Vorstellung ist absurd und menschenverachtend: ein medizinischer Test auf Homosexualität.
Darüber hinaus erwägt der im Artikel genannte kuwaitische Gesundheitsbeamte etwas Unmögliches.
Es würde sich methodisch um einen einen Screeningtest handeln, also um einen Test der – möglichst genau – zwischen Personen unterscheidet, die gesund und krank sind. Abgesehen, dass Homosexualität keine Krankheit ist – der Test müsste auf Merkmalen beruhen, in denen sich Homosexuelle von Nicht-Homosexuellen unterscheiden. Der Test müsste – in der Screening-Sprache – sensitiv und spezifisch sein. Das wird nicht funktionieren.

Süddeutsche Zeitung 16.10.2013

Moral und Verbrechen

Kuwait will Homosexuelle mit „medizinischen Tests“ aufspüren
Kairo – Wenn es nicht diesen widerlichen Unterton hätte, die Idee wäre geradezu rührend naiv. Die Golf-Staaten, konservativ, stinkreich, möchten sich schützen. Vor zersetzenden Einflüssen aus den Nicht-Golf-Staaten, genauer: vor Schwulen. Deshalb hat ein kuwaitischer Gesundheitsbeamter angeregt, Ausländer während der routinemäßigen Untersuchung vor der Visavergabe neuen „medizinischen Tests“ zu unterziehen, mit denen er Homosexuelle und Transsexuelle aufspüren möchte. Am 11. November wollen Saudi-Arabien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Oman und Katar den Vorschlag beim Treffen des Golfkooperationsrates diskutieren. Millionen Gastarbeiter, vor allem aus Bangladesch, Pakistan, Nepal, Vietnam und Jemen haben sich bisher Zwangsuntersuchungen unterzogen. Und jetzt werde eben auf Schwulsein getestet.
  Mal abgesehen davon, dass Länder wie Russland zumindest theoretisch einen Aids-Test von Ausländern verlangen und auch andere Staaten Gesundheitsprüfungen vorschreiben, ist das einerseits natürlich haarsträubend. Zumal für Katar, den winzigen Gernegroß, der 2022 die Fußball-WM ausrichten will, aber wegen der sklavenähnlichen Behandlung seiner Gastarbeiter aktuell so gar nicht wie der spaßorientierte Global Player dasteht, sondern wie eine rassistische Ausbeutergesellschaft. Schon melden sich Stimmen, die warnen, mit Schwulentests sei das Fußballfest und seine Anti-Diskriminierungspolitik ganz sicher nicht vereinbar, die Fifa müsse intervenieren und Katar die WM wegnehmen.
  Es ist natürlich überhaupt ein absurdes Vorhaben, Homosexualität medizinisch festzustellen.Weder die Kuwaitis noch ihre Nachbarn verraten, wie genau sie vorgehen wollen: Blut untersuchen? Gene? Körperöffnungen? Bleibt also eine neue Stufe der Diskriminierung, die allerdings nur außerhalb der Golfstaaten überhaupt als solche wahrgenommen wird. In 78 Ländern, darunter fast allen arabischen Staaten, ist Homosexualität verboten, in Saudi-Arabien, Iran, Sudan, Jemen und Mauretanien wird sie mit dem Tode bestraft, in Kuwait mit bis zu zehn Jahren Haft. Wenige, nicht einmal die liberalsten Vertreter der Region wollen daran etwas ändern.
  Amnesty International nannte die Golf-Pläne „unerhört“. Der Vorschlag werde nur jene Menschen weiter ausgrenzen, die ohnehin Missbrauch ausgesetzt seien, kritisierte Philip Luther, der die Menschenrechtsorganisation im Nahen Osten vertritt: „Kuwait sollte sich bemühen, dass diese Menschen nicht schikaniert werden, weil sie sind, was sie sind.“ Natürlich verletzen solche Tests das Menschenrecht auf Intimsphäre. Andererseits aber sind solche Empörungen eine Steilvorlage für die bärtigen Frömmler, die damit zweierlei beweisen können: ihren Ekel vor den „Ausschweifungen“ des Westens und ihre patriotische Gesinnung. Seit die Islamisten in Ländern wie Ägypten als vaterlandslose Gesellen dramatisch in die Defensive geraten sind, ist dies auch am Golf ein wichtiges Argument. Zwei kuwaitische Abgeordneteereiferten sich entsprechend in der lokalen Zeitung Al-Rai: Amnesty solle sich um jene „hochfliegenden und noblen Ziele“ bemühen, für die es einst geschaffen worden sei anstatt „Verbrecher“ zu verteidigen. Uneheliche Kinder in Europa, Abtreibungen, minderjährige Mütter – das alles seien ja nur einige der „moralischen Verbrechen“, die von „allen göttlichen Religionen“ verboten seien, kurz: Kuwaits Außenministerium sei aufgerufen, die „noblen Werte des Islam“ zu schützen und sich die ungebührliche Einmischung von außen zu verbitten.
  Ökonomisch, so der Einwand der Menschenrechtler, sei es schlicht nicht sinnvoll, Schwule oder Transsexuelle vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Aber für dieses Argument sind Länder wie Katar und Kuwait wohl einfach zu reich.
SONJA ZEKRI

Montag, 14. Oktober 2013

PIAAC-Studie: Niedrige Bildung – schlechtere Gesundheit, Gefühl der Ohnmacht, weniger Engagement

Die OECD untersucht die Fähigkeiten und Fertigkeiten Erwachsener (PIAAC) anhand des Leistungsniveau sErwachsener in drei Schlüsselkompetenzen der Informationsverarbeitung:
  • Lesekompetenz – die Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen und in angemessener Weise darauf zu reagieren;
  • Alltagsmathematische Kompetenz – die Fähigkeit, numerische und mathematische Konzepte zu nutzen;
  • Technologiebasiertes Problemlösen – die Fähigkeit zur Beschaffung, Interpretation und Analyse von Infor-mationen, die in digitalen Umgebungen zu finden sind bzw. dort bearbeitet und übertragen werden.


Die wichtigste Erkenntnisse aus dem Länderbericht für Deutschland
  • Erwachsene in Deutschland weisen verglichen mit Erwachsenen in den anderen Teilnehmerländern der Erhebung bei Lesekompetenz, alltagsmathematischer Kompetenz und technologiebasierter Problemlösekompetenz ein ungefähr durchschnittliches Leistungsniveau auf.
  • Wie in den meisten Ländern weist in Deutschland eine bedeutende Minderheit der Bevölkerung ein sehr niedriges Niveau bei Lesekompetenz und alltagsmathematischer Kompetenz auf, und ein hoher Anteil der Erwachsenenbevölkerung verfügt über geringe Kompetenzen bei der Beschaffung, Analyse und Übermittlung von Informationen mit Hilfe geläufiger Computeranwendungen.
  • Fremdsprachige Zuwanderer in Deutschland haben ein sehr niedriges Lesekompetenzniveau in deutscher Sprache, wenngleich ihr Kompetenzniveau im Verhältnis zu in Deutschland geborenen deutschen Muttersprachlern im Bereich des internationalen Durchschnitts liegt.
  • Der Zusammenhang zwischen dem Bildungsniveau der Eltern und der Lesekompetenz ist in Deutschland stärker ausgeprägt als in den meisten anderen Teilnehmerländern der Erhebung; allerdings stellt sich dieser Zusammenhang erheblich schwächer dar, wenn andere individuelle Merkmale berücksichtigt werden.
Besonders bedenkswerte Ergebnisse:
Personen mit niedrigem (höchstens Kompetenzstufe 1) Lesekompetenzniveau haben im Vergleich zur Personen mit einem Niveau der Stufe 4/5 
  • nur ein geringes Vertrauen in ihre Mitmenschen
  • ein Gefühl geringer politischer Wirksamkeit 
  • geringere Teilnahme an ehrenamtlichen Tätigkeiten 
  • häufiger einen mittelmäßigen bis schlechter Gesundheitszustand


PIAAC-Website Link
Länderbericht Deutschland Link
Beitrag im Forum Gesundheitspolitik Link
Beitrag in der Süddeutschen Zeitung 8.10.2013 Link

Sonntag, 13. Oktober 2013

Geringere Rente – früherer Tod

Neue Ergebnisse zur sozialen Ungleichheit der Gesundheit in Deutschland.
Grundlage der Berechnungen sind die Statistiken der Rentenversicherung.

Die gute Nachricht: die Lebenserwartung steigt für alle Bevölkerunsggruppen.
Die schlechte Nachricht: die sozialen Ungleichheiten haben sich im Vergleich der Zeiträume 1995-1996/2003/2004 vergrößert.
Die Lebenserwartung der Bezieher hoher Renten ist stärker gestiegen als die der Bezieher niedriger Renten. Der Unterschied beträgt mehr als 5 Jahre.
Mehr Infos:
   Demografische Forschung Heft 3/2013 Link
   Forum Gesundheitspolitik Link
   Journal of Epidemiology and Community Health Link